Er gehört fast schon zum
Inventar der Fürther Kirchweih. Seit ihrer
zaghaften Wiedergeburt nach der Kriegspause hat
Johannes Dölle die Budenstadt bereichert. Und
auch heute noch - nach 50 Jahren - pflegt er als
Schausteller das traditionsreiche Aushängeschild
der Stadt.
Obwohl er standesgemäß in einem
Schausteller-Wohnwagen in der Nähe des
Eichstädter Domes das Licht der Welt erblickt
hat, ist der heute 75jährige ein waschechter
Fürther. Schließlich entstammt er einer hiesigen
Schausteller-Dynastie, die sich bis ins Jahr
1778 zurückverfolgen lässt und damit das wohl
älteste Fürther Geschlecht der Branche ist. Das
die große Familie den Rummelplätzen treu
geblieben ist, zeichnet sie in besonderem Maße
aus.
Schon als Kind packte Johannes Dölle die
Faszination der Fahrgeschäfte. 1926 konnte sein
Vater stolz eine "Elektro-Grottenbahn" sein
eigen nennen, die dank (so der Prospekt)
"feenhafter Beleuchtung mit Scheinwerfern" und
"herrlichem Konzert-Orchester" zu den schönsten
und modernsten Anlagen ihrer Zeit zählte. Hinter
dem Konzert-Orchester verbarg sich eine
Ruth-Orgel aus Waldkirch, die damals stolze
3.800 Goldmark gekostet hatte.
Als hochdekorierter Elitesoldat mit einigen
Granatsplitterverletzungen und kaputten Nerven
aus dem Krieg heimgekehrt, stieg Johannes Dölle
zunächst als Teilhaber in das Fahrgeschäft
seines Onkels Josef Dölle ein. Es handelte sich
um eine "Raketenbahn". Neu daran war, dass sie
sich nicht wie herkömmliche Karussells an
Auslegern bewegte, sondern auf Schienen.
Nach dem recht bescheidenen Vorläufer 1946 musste
die Kirchweih auch 1947 und 1948 noch auf den
Schießanger ausweichen. Als der Onkel hier 1948
einem Herzinfarkt erlag, stand Johannes Dölle
allein mit dem Fahrgeschäft da. Im Jahr darauf
schaffte er sich seinen ersten Süßwarenstand an.
Auch das letzte Geschäft des Fürther
Schaustellers ist von diesem Schlag. Die 1975
gekaufte "Wiener Melange" hat einen Ehrenplatz
auf der Freiheit und wird inzwischen von
Johannes Dölles Sohn Helmut geleitet, der auch
im Vorstand des hiesigen Schaustellerverbandes
mitarbeitet.
Die Fahnen hat Johannes Dölle noch eigenhändig
bemalt. Denn zur Malerei entwickelte der Fürther
eine ebensolche Leidenschaft wie zum Fischen.
Für diese Hobbys nimmt sich der 75jährige heute
mehr Zeit als früher. Seine
Geschicklichkeitsspielbude "Goldfinger" auf der
Freiheit ist ein Selbstläufer, der wenig Aufwand
bereitet. Nur in der Frühe schaut Johannes Dölle
nach dem rechten. Wenn es nachmittags dann laut
wird auf der Kirchweih, zieht er sich lieber in
die Eigentumswohnung auf der Hardhöhe zurück.
Hier pflegt er auch die Familientradition. In
Ordnern bewahrt er denkwürdige Dokumente vom
Kirchweihtreiben anno dazumal auf. Dazu gehört
auch eine Fürther Kirchweihordnung aus dem Jahre
1797, als die Stadt noch zu Preußen gehörte. Das
detaillierte Regelwerk war auf eine illustre
Gesellschaft aus Wunderheilern, Gauklern und
Bärentreibern gemünzt. Akribisch hatte schon
sein Vater Buch geführt über seine Geschäfte.
Die Fürther Kirchweih war unter allen Stationen
dabei immer die Haupteinnahmequelle gewesen.
Auch heute noch wirft die "Königin der
fränkischen Kirchweihen" genug ab, um nicht nur
die Großfamilie Dölle zu ernähren. Worauf es
ankommt, ist nach den Worten von Kirchweihsenior
Johannes Dölle in erster Linie gutes Wetter. Das
Geldverdienen stand bei ihm nach dem Krieg an
erster Stelle. Hier machte sich vor allem der
Spielpavillon bezahlt. Ein Kassenschlager war
auch das Fadenziehen. Johannes Dölle hat sich
auf allen führenden Plätzen Nordbayerns
etabliert. Inzwischen genügt es ihm, zweimal
jährlich in Nürnberg und auf der Fürther
Kirchweih präsent zu sein. Ruhestand ist für
einen Schausteller wie Johannes Dölle ein
Fremdwort.
Dies würdigte gestern auch Oberbürgermeister
Wilhelm Wenning, der dem Jubilar die
Glückwünsche der Stadt und einen Zinnkrug
überbrachte. Für jeweils 30jährige Treue zur
Fürther Kirchweih zeichnete das Stadtoberhaupt
außerdem zwei Kollegen Dölles aus: den 1962 aus
Palermo nach Deutschland gekommenen und in Fürth
heimisch gewordenen Pizzabäcker Nino Mendola und
Marianne Popp, die ihre immer wieder
verbesserten Gemüsehobel in der Moststraße einer
treuen Kundschaft anbietet.
Quelle: Volker Dittmar, Fürther Nachrichten,
10. Oktober 1997 |